Frau mit Tasse und Salat vor Laptop
 

Dr. Google, KI & Co.:

Was sie können – und wann du besser in die Praxis kommst!

Hand aufs Herz, wer hat nicht schon mal im Internet Symptome oder Beschwerden in eine Suchmaschine getippt? Nach Dr. Google und Co. stehen uns jetzt auch noch Professor ChatGPT und andere KI-Systeme bei Gesundheitsfragen mit Rat und Tat zur Seite. Zusätzlich teilen »Medfluencer/innen« auf Social Media ihr Wissen. Braucht es da überhaupt noch den Gang zur Hausärztin oder zum Hausarzt? Du merkst schon, ich schreibe das hier gerade bewusst sehr kritisch. Dennoch liegen in der Digitalisierung natürlich auch viele Chancen für unsere Gesundheit. Gehen wir doch einmal ins Detail und setzen uns damit auseinander, welche Vor- und Nachteile Social Media und Co. uns bringen können.

Dr. Google und KI: Fluch oder Fortschritt?

62 % der Internetnutzer/innen recherchieren vor dem Besuch bei ihrer Ärztin oder ihrem Arzt ihre Symptome im Netz.1 Ich verstehe warum: Mit wenigen Klicks kann man erfahren, woran man vermutlich erkrankt ist, ohne überhaupt in eine Praxis gehen zu müssen. Das klingt erst einmal toll und kann ein Gefühl von Sicherheit geben. KI kann sogar individuelle Fragen beantworten – beinahe wie im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt: »Brauche ich die Pille danach?« oder »Ist mein Ausschlag ansteckend?«. Und zugegeben: KI kann hier schon wirklich viel. Aber sie ist nicht unfehlbar. Ich habe beispielsweise für einen Sportwettkampf nach den perfekten Zwischenzeiten gefragt und die KI hat bei ihrer Berechnung eine komplette Übung vergessen. Für den Wettkampf nicht weiter schlimm, aber wenn es um deine Gesundheit geht, ist das einfach nicht ausreichend.

Meine Einschätzung: Als erste Einschätzung und Informationsgewinnung für nicht lebensgefährliche Fragestellungen können Internetrecherche und KI sehr hilfreich sein. Als klare Handlungsempfehlung für medizinische Fragen oder Alternative zum Arztbesuch taugt sie aber (noch) nicht.

Social Media: Wenn ein Semester zum Doktortitel verhilft

Wenn du dich mal ganz ehrlich fragst, welches Reel schaust du dir lieber an: Ein actionreiches, ästhetisches oder kurzweiliges Video oder den Arzt Mitte 30, der dir ganz in Ruhe in drei Minuten erklärt, warum du im Normalfall keine Supplemente braucht? Ich habe es selbst ausprobiert. Mit lustigen Videos über Ernährungsmythen haben wir über 5 Millionen Views erreicht. Mit einem normalen Aufklärungsvideo über Erkältung gerade einmal 40.000. Der Algorithmus unterscheidet nicht nach richtig oder falsch, sondern nach Klicks und Unterhaltungswert. Ein weiteres Problem ist, dass auf Social Media theoretisch jede/r »Gesundheitsexpert/in« sein kann. Keine Frage, es gibt zahlreiche Ärztinnen und Ärzte oder andere Personen mit medizinischem Fachwissen, die wissenswerte Fakten in differenzierten Beiträgen teilen. Allerdings ist es häufig nicht eindeutig nachvollziehbar, wer welchen fachlichen Hintergrund mitbringt. Ich unterstelle selbsternannten »Gesundheitsexpert/innen« keine böse Absicht, aber es passiert leider nicht selten, dass wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, die die evidenzbasierte (faktenbasierte) Medizin ausmacht, mit eigenen Meinungen und Erfahrungen »widerlegt« wird und das kann unter Umständen gefährlich werden.

Meine Einschätzung: Social Media geben mir und meinen Kolleginnen und Kollegen eine tolle Möglichkeit, Aufklärung zu betreiben und Awareness zu schaffen. Du kannst diese Kanäle für Impulse und Gedankenanstöße nutzen, aber sie ersetzen keine medizinische Untersuchung oder das Behandlungskonzept einer Ärztin oder eines Arztes.

Und jetzt?

Jetzt habe ich dir viele negative Seiten und Gefahren aufgezeigt, aber in der Digitalisierung liegen natürlich auch Chancen für die Medizin und die gute Nachricht ist, du musst dein Handy nicht direkt aus dem Fenster werfen, wenn es um deine Gesundheit geht. So können Videosprechstunden nicht nur deine Arztpraxis sowie deinen Alltag entlasten, in manchen Fällen sind sie sogar total sinnvoll. Mittlerweile gibt es beispielsweise sehr zuverlässige Angebote für digitales Hautkrebsscreening. Und natürlich ist auch eine gute Informationsgewinnung für deine Gesundheit von großem Vorteil. In meinem Praxisalltag helfen mir informierte Patientinnen und Patienten immer unglaublich dabei, schnell die richtige Diagnose zu stellen, sodass ich die restliche Zeit nutzen kann, um andere Dinge zu erklären und vielleicht schon über Therapieoptionen zu sprechen. Dafür ist jedoch deine »digitale Gesundheitskompetenz« entscheidend. Aber was ist das überhaupt?

Digitale Gesundheitskompetenz bedeutet, gesundheitsbezogene Informationen im Internet zu finden, zu verstehen, kritisch zu bewerten und richtig anzuwenden.

Vereinfach gesagt, nicht alles glauben, was blinkt und hübsch verpackt ist, sondern erstmal reflektieren und die Informationen gegenprüfen. Wenn du mit einem kritischen Blick und aufmerksam vorgehst, kommt es dir zum Beispiel komisch vor, dass ein/e Influencer/in eben noch über Darmgesundheit aufgeklärt hat und zufällig ein paar Tage später genau das Produkt bewirbt, welches gegen deine Beschwerden helfen soll.

Tipps für den Umgang mit Gesundheitsinformationen

Eine Kombination aus fundierten Fakten, fachlicher Beratung und Behandlung und einem guten Basiswissen kann dich dabei unterstützen, deine Gesundheit zu fördern und zu erhalten. Nutze Angebote für regelmäßige Gesundheitschecks und wende dich bei Fragen immer an deine Ärztin oder deinen Arzt. Du kannst Apps, KI, Suchmaschinen oder Social-Media-Kanäle dafür nutzen, dein Wissen zu erweitern, solange es nicht deine einzige Informationsquelle darstellt. Zum Abschluss möchte ich dir ein paar Tipps mit auf den Weg geben, die dir dabei helfen können, Online-Informationen besser einzuordnen:

Tipp 1: Quellen IMMER prüfen und hinterfragen
Ist die Information wissenschaftlich belegt? Gibt es Studien? Wer steckt dahinter? Welche Qualifikation hat die Person? Gibt es vielleicht sogar ein Produkt, welches mit der Aussage oder Erkrankung beworben wird. Das gilt übrigens auch für ärztliche Aussagen. Auch wir können uns irren. Wenn du ein ungutes Gefühl hast, hinterfrage die Aussage und hole dir ggf. eine zweite Meinung ein.

Tipp 2: Apps und Tools prüfen
Schau dir genau an, was deine Gesundheits-Apps können. Sind sie zertifiziert? Welches Unternehmen steckt hinter der Anwendung? Wie werden Daten geschützt? Nutze im Zweifel zum Beispiel lieber Apps mit CE-Kennzeichnung oder zertifizierte digitale Gesundheitsanwendungen (DIGAs).

Tipp 3: Arztgespräche vorbereiten
Nutze digitale Angebote als Informationsgewinn und Ergänzung zum Besuch bei deiner Ärztin oder deinem Arzt. Die Einordnung und deinen Behandlungsplan solltest du immer – insbesondere bei gefährlichen Fragestellungen – in ärztliche Hände legen.

@deinhausarzt
Sebastian Alsleben

Sebastian Alsleben ist Arzt und Gesundheitsexperte und setzt sich leidenschaftlich für eine fundierte und praxisnahe Aufklärung rund um Gesundheit, Ernährung, Sport und mentale Gesundheit ein – so auch auf Social Media oder in seinem Podcast.


Quellen:

1Vgl. dzw (2023): "Viele Deutsche recherchieren ihre Krankheitssymptome im Internet" unter: dzw.de/recherche-krankheitssymptome-im-internet [Stand 01.04.2025]

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