
ADHS ist gekennzeichnet von Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität und emotionaler Dysregulation. Dadurch kann ein Studium zu einer Herausforderung werden. Denn es erfordert häufig, dass man große Mengen an teilweise abstrakten Informationen eigenständig erarbeitet. Außerdem musst du dieses Wissen dann natürlich auch noch auf einen Prüfungsbogen bringen. Die konkreten Herausforderungen sind ebenso individuell, wie ihre Lösungsstrategien. Einige Aspekte betreffen aber einen Großteil der Menschen mit ADHS. Deshalb zeige ich dir im Folgenden einige mögliche Lösungen für dein Studium mit ADHS.
Bevor ich dir erkläre, welche Lösungen sich für deine Herausforderungen im Studium mit ADHS anbieten, lass uns zunächst einige Problembereiche anschauen, die bei vielen Betroffenen auftreten.1
Menschen mit ADHS können sich nur schwer motivieren, wenn die Inhalte, die sie lernen sollen, von geringem Interesse sind. Das kann das Lernen für bestimmte Prüfungen oder die regelmäßige Teilnahme an bestimmten Lehrveranstaltungen erschweren.
Häufig verwechselt mit der klassischen Prokrastination, führt sie dazu, dass Betroffenen die Motivation abhandenkommt, sich für ein bestimmtes Thema aufzuraffen. Ausgelöst wird dies durch extrem aversive und langweilige, aber kognitiv aufwendige Aufgaben. Endgegner? Nicht selten eine uninteressante Abschlussarbeit: wenig innere Motivation, wenig Struktur von außen, enorme kognitive Planungsarbeiten von kleinen Teilschritten und ein Belohnungsaufschub über mehrere Monate hinweg.
Auch »Zeitblindheit« genannt, führt dazu, dass Betroffene die Zeit unterschätzen, die sie für bestimmte Aufgaben benötigen. Das kann zu einem Gefühl ständiger Überforderung führen. Du kennst das vielleicht, wenn du das Gefühl hast, deinem Studium ständig hinterherzujagen, weil du einfach nicht im Plan bist. Häufig wird dieses Problem davon begleitet, dass es Betroffenen schwerfällt, die Wichtigkeit ihrer Aufgaben zu priorisieren. Menschen mit ADHS haben häufig Probleme, den Überblick zu behalten und den Berg an Aufgaben für das Studium sinnvoll zu priorisieren.
Eine erste Lösung ist, sich das schon einmal bewusst zu machen. Es gibt Problembereiche, die dich mit deiner ADHS im Studium beeinträchtigen können. Und die haben nichts mit »Faulheit« oder »Dummheit« zu tun. Es geht darum, mit der Diagnose zu arbeiten, statt gegen sie. Wenn es dir bei bestimmten Themen schwerfällt, deinen Fokus zu behalten, stellt sich die Frage, wie du dich in der Situation unterstützen kannst? Du könntest gerade bei herausfordernden Inhalten versuchen, störende Reize aus deiner Umgebung zu entfernen, indem du das Smartphone einsperrst, deinen Schreibtisch aufräumst oder in eine Bibliothek gehst, in der die Umgebung in aller Regel ruhiger ist. Falls es dir leichter fällt, uninteressante Inhalte zu lernen, wenn du dir diese mit Kommiliton/innen zusammen erarbeitest oder ihr zusammen lernt, dann kann auch Gruppenarbeit eine gute Lösung sein.
Bei ADHS-Paralyse – insbesondere, wenn es um größere Projekte geht – können Routinen hilfreich sein, weil du so von Gewöhnungseffekten profitierst und deine Umgebung halbwegs konstant hältst. Dazu zählen halbwegs feste Aufwach- und Schlafzeiten, feste Arbeitsblöcke im Einklang mit deinen Motivationsschwankungen, fixe Bewegungspausen und das Feiern von Mini-Zielen. Für eine akute Paralyse-Situation können auch unmittelbare Reizänderungen helfen, also Menschen, von denen du dich anrufen lässt, wenn es dir so geht oder eine bestimmte aktivierende Playlist. Musik kann durch ihre Sogwirkung bei Menschen mit ADHS wahre Wunder wirken.2 Sie kann bei Konzentration und Motivation helfen, da sie das Gehirn stimuliert und die Fülle an Reize reduziert, die ansonsten auf das ADHS-Gehirn niederregnen. Ein Motivationsboost per Knopfdruck.
Bei temporaler Dysfunktion oder »Zeitblindheit« können technische Hilfsmittel kleine Alltagsretter sein. Seien es KI-Funktionen, die dir deine Aufgaben nach Priorität ordnen oder klassische Timer und Uhren. In diesem Video gibt dir Lerncoach Kathi Moldan weitere Tipps fürs Prioritätensetzen. Häufig kann auch hier eine gute Tagesroutine helfen, den Aufwand für viele Tätigkeiten im Auge zu behalten, die regelmäßig anfallen. Das kann besonders in Prüfungsphasen wichtig sein. Und nicht vergessen: Leerlauf. Solltest du Schwierigkeiten haben zu entspannen, dann sind Leerlaufzeiten, in denen nichts geplant ist, von großer Bedeutung. Diese solltest du dir ganz bewusst in deinen Alltag im Sinne einer »Burnoutprophylaxe« einplanen. In diesem Video findest du Tipps zum Aufbau einer Lernroutine sowie Tages- und Semesterpläne, die dich bei deiner Alltagsplanung und deinem Zeitmanagement unterstützen können.
Studierende mit ADHS kämpfen oft mit Fokusproblemen, ADHS-Paralyse und Zeitblindheit, was das Lernen und Planen erschwert – du bist also nicht allein. Typische Strategien umfassen, störende Ablenkungen zu minimieren, Routinen zu entwickeln und technische Hilfsmittel einzusetzen. Gerade in schwierigen Momenten können unterstützende Menschen oder Musik dabei helfen, den Einstieg zu erleichtern. Besonders wichtig ist es, Leerlaufzeiten als bewusste Erholungsphasen einzuplanen, um Überforderung vorzubeugen. So lässt sich der Studienalltag besser bewältigen, indem man mit der ADHS arbeitet, statt gegen sie anzukämpfen. Du schaffst das!
Lukas Maher ist Psychotherapeut mit ADHS. Auf Instagram klärt er über ADHS, Irrtümer der sogenannten Pop-Psychologie und zu mentaler Männergesundheit auf.
1Vgl. Kwon, S. J.; Kim, Y.; & Kwak, Y. (2018): "Difficulties faced by university students with self-reported symptoms of attention-deficit hyperactivity disorder: A qualitative study". In: Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health, 12, 12.
2Vgl. Martin-Moratinos, M.; Bella-Fernández, M. & Blasco-Fontecilla, H. (2023): "Effects of Music on Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD) and Potential Application in Serious Video Games: Systematic Review". In: Journal of Medical Internet Research, 25, e37742.