Feiertage und Lernstress?

Ferien, Feiertage und vorlesungsfreie Phasen haben mich während meiner Studienzeit immer besonders gestresst. Zwischen Hausarbeiten, Prüfungsstress und Zeit mit der Familie sowie Freund/innen wollte ich immer eines: Balance. Geschafft habe ich es nie. Leider war oft das, was ich wollte, nicht das, was ich brauchte und auch nicht das, was ich leisten konnte. Rückblickend lag es daran, dass ich sowohl meine Kapazitäten, als auch Bedürfnisse nicht wahrnehmen konnte. Heute kann ich, dank vieler Therapiestunden, deutlich besser herausarbeiten, was ich brauche, was ich möchte und was ich im Abgleich mit meinen Kapazitäten realistisch umsetzen kann.

Gedankennebel

Warum war Balance so schwer für mich? Wenn Aufgaben, Deadlines, Konflikte und soziale Verpflichtungen ungefiltert auf mich einwirkten, entstand im Kopf ein diffuser Gedankennebel. Die Lösung? So simple wie banal: alles aufschreiben und damit die Gedanken auslagern. Diese einfache Methode ermöglicht es, konkrete Pläne zu erstellen und Aufgaben zu priorisieren. Für euch könnte das so aussehen:

Was:  Hausarbeit Seminar soziale Ungleichheit
Wann: Abgabe 10.01.2024
Done:  Thema, Recherche und Einleitung
Next:  26.12., 10 - 12 Uhr - Einleitung gegenlesen
Next:  27.12., 10 - 13 Uhr - 2 Seiten Theorie schreiben

Eine konkrete To-Do Liste ist zwar gut, doch wenn ihr wie ich zu der Sorte leistungsorientiert gehört, beginnt man einen Wettlauf mit sich selbst - schnellstmöglich alle Aufgaben bestmöglich gleichzeitig abarbeiten. Die Listen habe ich mit Bravour abgearbeitet, aber den Wettlauf auf Kosten meiner Gesundheit verloren. Denn: Ohne ein Kapazitäts- und Bedürfnischeck ist jede To-Do Liste wie ein Labyrinth ohne Karte. Man mag zwar vorankommen, aber droht Gefahr sich zu verirren. 

Krisenmodus

Heute nutze ich die Eisenhower-Matrix und kategorisiere meine Aufgaben je nach Dringlich- und Wichtigkeit. Dringende und wichtige Aufgaben müssen sofort erledigt werden, sind aber enorme Energiefresser, da sehr schnell agiert werden muss. Sind Aufgaben wichtig, aber (noch) nicht dringend, werden diese Aufgaben in Ruhe in festen Zeitslots geplant und abgearbeitet.

Sind Aufgaben dringend, aber nicht wichtig, kann man sie abgeben. Das ist jedoch im Studium eher schwierig umzusetzen, da ihr in den meisten Fällen Alleinkämpfer/innen seid. Dennoch ist es lohnenswert, sich zum Beispiel von einer KI helfen zu lassen. Alle anderen Aufgaben sind P wie Papierkorb. Hat man zu viel Zeit im »Krisenmodus« verbracht (hellgrüner Quadrant), war man zu wenig im grünen Quadranten. Bevor du also in die Feiertage startest, nimm dir eine ruhige Minute, um deine Aufgaben und Bedürfnisse zu überprüfen. Dabei kann dir zum Beispiel auch eine Tabelle mit ganz individuellen Energiefressern helfen.

Aus Sicht einer Dozentin ist mir noch wichtig zu betonen: Sprecht offen mit euren Dozierenden über mögliche Kapazitätsprobleme und bittet im Bedarfsfall um Fristverlängerungen. Eure mentale Gesundheit ist genauso wichtig wie eure physische Gesundheit, achtet gut auf euch. Ich habe das viel zu lange vernachlässigt und Raubbau betrieben. Heute weiß ich: Wenn ich 80 % meiner Energie zur Verfügung habe und 80 % dieser Energie ausgebe, dann habe ich 100 % gegeben. 

Kommunikation

Doch nicht nur die Kommunikation mit einem selbst ist entscheidend, sondern auch die Kommunikation mit der Familie. Möchtest du über die Feiertage abschalten, könntest du schreiben: »Ich bin gerade sehr mit meinem Studium eingespannt, möchte aber in den nächsten Tagen versuchen abzuschalten und mich zu erholen. Wenn ihr mich dabei unterstützen könntet, wäre das wirklich toll.« Möchtest du dich hingegen mit deinem Studium beschäftigen, wäre folgendes eine Formulierungshilfe: »Ich bin gerade sehr mit meinem Studium eingespannt und möchte in den nächsten Tagen an meiner Hausarbeit arbeiten. Ich brauche dafür ruhige Momente für mich, möchte aber auch mit euch Weihnachten genießen. Ich würde mich freuen, wenn ihr mich dabei unterstützen könntet.« 

Aber was ist, wenn man nicht diese Antwort: »Na klar Schatz, wir sind für dich da!«, sondern diese erhält: »War ja klar. Wir haben uns schon so auf die Tage mit dir gefreut. Darüber reden wir, wenn du hier bist. Du kommst doch nicht erst am 24.12., oder?«? Wenn verhandelbare Grenzen im Umgang mit der Familie nicht mehr verhandelbar werden, kann es notwendig sein, sich von der biologischen Familie abzugrenzen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass dieser Schritt schmerzt, viel Zeit, Kraft und Energie kostet und auch nur in therapeutischer Begleitung möglich war. Dabei habe ich gelernt, dass ich mir selber eine Mutter oder ein Vater sein kann, mich selber trösten und für mich da sein kann.

Halten wir fest: Feiertage sind alleine, mit Freund/innen, auf der Arbeit, mit der biologischen Familie oder mit Wahlfamilie absolut valide. Das Wichtigste ist, dass es euch guttut. Und wenn ihr Freund/innen habt, die bei dem Gedanken Feiertage gerade Bauchschmerzen bekommen: ladet sie doch mal zu euch Nachhause ein.

@FrauForschung
Lisa Niendorf

M. Ed. Lisa Niendorf hat Erziehungswissenschaften und Soziologie an Universität Potsdam studiert und ist als Hochschuldozentin in der Lehrkräftebildung tätig (HU-Berlin).

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