Junge Frau sieht sich mit kritischem Blick im Spiegel an und hält dabei ihre Hände auf dem Bauch
 

Essstörungen:

Wissen, Hilfe, Hoffnung

Essstörungen sind eine häufige psychische Erkrankung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.1 In den sozialen Medien scheinen Trends wie #SkinnyTok die Body-Positivity-Bewegung abzulösen.2 Aber was gilt eigentlich als Essstörung und wie kommt es, dass man davon betroffen ist? Ich hatte selbst viele Jahre eine Essstörung und möchte dir mit diesem Beitrag einige Fakten und etwas Mut mit auf deinen Weg geben.

Was ist eine Essstörung eigentlich?

Man unterscheidet zwischen drei Hauptformen der Essstörung. Bei der Anorexia nervosa handelt es sich in der Regel um untergewichtige Patient/innen, wobei der Gewichtsverlust mit Absicht herbeigeführt bzw. aufrechterhalten wird. Betroffene beschäftigen sich in der Regel viel mit den Themen Essen und gesunde Ernährung. Die Erkrankung geht häufig mit einem erhöhten Aktivitätslevel bis hin zum Sportzwang einher. Bei der Bulimia nervosa leiden Betroffene unter Essanfällen unterschiedlichen Ausmaßes mit anschließenden kompensatorischen Maßnahmen wie Erbrechen, Abführen, Hungern, Fasten, intensive Sporteinheiten, etc., um die aufgenommenen Kalorien wieder loszuwerden. Meist beschäftigen sie sich stark mit dem eigenen Körper und die Kontrolle des Körpergewichts nimmt eine große Rolle im Alltag ein.3 Nicht selten geht der Bulimie eine Anorexie voraus.

Des Weiteren gibt es noch die Binge-Eating-Störung, bei der Betroffene ebenfalls Essanfälle haben, diese jedoch nicht kompensieren, wodurch es im Krankheitsverlauf meist zum Übergewicht kommt.4 Die Orthorexie hat in den gültigen Diagnosemanualen noch keinen Platz gefunden. Es gibt allerdings Bestrebungen, eine einheitliche Definition für diese Art der Essstörung zu finden. Bei der Orthorexie steht ein gesunder Ernährungsstil im Fokus, der jedoch über ein ausgewogenes Verhältnis hinausgeht, sodass Betroffene beispielsweise keine Einladungen oder Restaurantbesuche mehr wahrnehmen, da sie das Essen dort als zu ungesund bewerten. Nicht selten kommt es bei dieser Form der Essstörung durch die eingeschränkte Nahrungsauswahl zu Mangelerscheinungen.5

Wie bekommt man eine Essstörung?

Warum jemand eine Essstörung entwickelt, kann vielerlei Ursachen haben. Unter anderem unterscheidet man biologische (z. B. Genetik) und individuelle Ursachen (z. B. Persönlichkeitseigenschaften) sowie soziokulturelle Faktoren (z. B. Schönheitsideale).6 Stress und Leistungsdruck – keine Seltenheit im Studium – können sich ebenso auf das Essverhalten auswirken. Außerdem können Social Media einen negativen Einfluss auf unsere Selbstwahrnehmung und unser Körperbild haben.7 Im schlimmsten Fall können sie eine Essstörung verschlimmern oder gar auslösen. Mit den richtigen Kniffen kann Social Media aber auch ein Tool sein, das uns hilft, den Kampf gegen die Essstörung aufzunehmen und zu besiegen. Es gibt etliche hilfreiche »Recovery-Accounts«, die realistische Essensmengen und Körper sowie ein buntes, glückliches Leben nach einer Essstörung zeigen. Es lohnt sich, die eigenen Social Media Seite so »aufzuräumen«, dass sie der Genesung beiträgt.

Was kann man gegen eine Essstörung unternehmen?

Ich bin Psychologin und Ärztin und hatte selbst viele Jahre eine Essstörung. Daher kenne ich sowohl die fachliche Sicht als auch die einer Betroffenen. Wenn du merkst, dass bestimmte Themen wie Ernährung oder die Sicht auf deinen Körper einen großen Raum in deinem Leben einnehmen, möchte ich dich dazu ermutigen, dich auf deinem Weg unterstützen zu lassen. Ausgebildete Ärzt/innen und Therapeut/innen dürfen Essstörungen diagnostizieren und behandeln. Es ist wichtig, Essstörungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, da die Prognose bei einer frühen Intervention besser ist.8 Es ist jedoch nie zu spät, sich in Behandlung zu begeben. Auch eine vermeintlich chronifizierte Essstörung kann geheilt oder zumindest in der Symptomausprägung verbessert werden. 

Der Weg aus der Essstörung sollte immer ärztlich begleitet werden (insbesondere bei Anorexie und Bulimie) aufgrund des lebensgefährlichen Refeeding-Syndroms, das auch schon bei geringer Erhöhung der aufgenommenen Nahrung auftreten und zu einer bedrohlichen Elektrolytverschiebung führen kann. Es gibt zahlreiche Hilfsangebote für Betroffene. Eine gute erste Anlaufstelle kann zum Beispiel die psychologische Beratungsstelle deiner Hochschule sein. Ich weiß, dass es manchmal nicht leicht ist, jemanden bzw. eine Einrichtung zu finden, die zu einem passt, aber ich kann dir versprechen, dass es sich lohnt, dranzubleiben. 

Informations- und Unterstützungsangebote:

Heilung passiert nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess. Weitere Impulse und Erfahrungen rund ums Thema Essstörung und Essverhalten haben wir in der BARMER Campus-Coach Online-Eventreihe »Eat good, feel good« besprochen. Die Aufzeichnung der Events kannst du hier nachschauen.

@zyklusaerztin
Lisa Hoffmann

Lisa Hoffmann ist Psychologin und Ärztin – und hatte selbst viele Jahre eine Essstörung. Daher kennt sie sowohl die professionelle Sicht als auch die einer Betroffenen und es ist ihr ein besonderes Anliegen, Betroffenen Wissen und Selbstbewusstsein bezüglich ihrer Gesundheit zu vermitteln, um sie beispielsweise vor Falschinformationen in den sozialen Netzwerken zu schützen.


Quellen:

1Vgl. Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit: "Wie häufig sind Essstörungen?" unter: https://www.bzga-essstoerungen.de/was-sind-essstoerungen/wie-haeufig-sind-essstoerungen/ [Stand 29.06.25]
2Vgl. Wirth, David (2025): "Size Zero ist zurück: Wie Skinny Girls auf TikTok fragwürdige Schönheitsideale propagieren" unter: https://www.apotheken-umschau.de/news/size-zero-ist-zurueck-wie-skinny-girls-auf-tiktok-fragwuerdige-schoenheitsideale-propagieren-1270225.html [Stand 29.06.2025]
3Vgl. ICD Code: "F50.- Essstörungen" unter: https://www.icd-code.de/icd/code/F50.0-.html [Stand 29.06.25]
4Vgl. Spitzer, Dr. Robert L.: "DSM-5 Criteria for Binge Eating Disorder" unter: https://www.mdcalc.com/calc/10153/dsmv-diagnostic-criteria-for-binge-eating-disorder#creator-insights [Stand 29.06.25]
5Vgl. Donini LM, Barrada JR, Barthels F, Dunn TM, Babeau C, Brytek-Matera A, Cena H, Cerolini S, Cho HH, Coimbra M, Cuzzolaro M, Ferreira C, Galfano V, Grammatikopoulou MG, Hallit S, Håman L, Hay P, Jimbo M, Lasson C, Lindgren EC, McGregor R, Minnetti M, Mocini E, Obeid S, Oberle CD, Onieva-Zafra MD, Opitz MC, Parra-Fernández ML, Pietrowsky R, Plasonja N, Poggiogalle E, Rigó A, Rodgers RF, Roncero M, Saldaña C, Segura-Garcia C, Setnick J, Shin JY, Spitoni G, Strahler J, Stroebele-Benschop N, Todisco P, Vacca M, Valente M, Varga M, Zagaria A, Zickgraf HF, Reynolds RC, Lombardo C. (2022): "A consensus document on definition and diagnostic criteria for orthorexia nervosa". In: Eat Weight Disord, 2022 Dec;27(8), S. 3695-3711.
6Vgl. Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit: "Ursachen und Auslöser von Essstörungen" unter: https://www.bzga-essstoerungen.de/was-sind-essstoerungen/ausloesende-faktoren/ [Stand 29.06.25]
7Vgl. Dr. Stemper (2024): "Social Media und das Körperbild" unter: https://www.praxis-psychologie-berlin.de/wikiblog/articles/social-media-und-das-koerperbild [Stand 29.06.25]
8Vgl. Tenze-Kunit, Monika (2025): "Essstörungen: Frühintervention als Schlüssel zum Erfolg" unter: https://medonline.at/news/medizin/4000141669/essstoerung-fruehintervention-als-schluessel-zum-erfolg/ [Stand 29.06.25]

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